KunsthausFrühling n°5

KunsthausFrühling n°4
25. April 2020
KunsthausFrühling n°6
9. Mai 2020

Kunstgenuss im virtuellen Kunsthaus
… und hoffentlich in Zukunft im realen Kunsthaus am Eichplatz

Herzlich willkommen zum Jenaer Kunsthausfrühling im virtuellen Kunsthaus.

Hier finden Sie die Abbildungen des Werkes, um das es in diesem Artikel geht:

http://pinakothek-beuys-multiples.de/de/product/rose-fur-direkte-demokratie/

 

Hören Sie hier unseren (unten stehenden) Text zur Einleitung:

Wir wollen Ihnen heute in unserer Reihe „Jenaer Kunsthausfrühling“ aus unserer Kunstsammlung ein Werk von Joseph Beuys vorstellen, das Jonas Zipf für uns ausgewählt hat: die „Rose für direkte Demokratie“.

Joseph Beuys, man verehrt ihn oder man verachtet ihn.

Gibt es etwas dazwischen?

Ja vielleicht, vielleicht die Ahnung davon, dass das alles was zu bedeuten haben muss, was von Beuys  in Museen und Archiven lagert, vielleicht ist es die Sehnsucht nach einer Eintrittskarte in diese verwunschene Welt aus Schiefertafeln, Kreidestaub, Fettecken, Filzmänteln, Eisenträgern, rußigen Eimern und klebrigen Flaschen. 

Joseph Beuys, geboren 1921 in Krefeld, erforschte  als Kameraassistent an der Seite des berühmten Tierfilmers Hans Sielmann  als junger Mann die Geheimnisse der Natur. Er machte es sich zum künstlerischen Prinzip, die Dinge ganz genau zu betrachten, sie im Zusammenhang zu sehen im Kreislauf des Lebens, im großen Ganzen des Universums.

Seitdem er als Soldat  1944 über der Krim mit seinem Jagdbomber abgestürzt war, pflegte er bis zu seinem Tod 1986 den Mythos seiner Errettung durch die Tataren, die ihn in einer Jurte mit Fett, Filz und Honig zurück ins Leben holten.  Seit dem ordnete er diesen Materialien eine besondere  Lebensenergie zu und verwendet sie immer wieder in seinen Kunstobjekten.

„Er sucht  in  seinem Leben und Werk die Wiederherstellung der verloren gegangenen Einheit von Natur und Geist, von Kosmos und Intellekt und setzt dem zweckdeterministischen  Rationalismus ein Denken entgegen, das archetypische, mythische und magisch-religiöse Zusammenhänge einbezieht.“, so steht es im Kunstlehrbuch der Oberstufe von Kammerlohr. (Epochen der Kunst  5, S. 272.)                          

Ist es das, was uns gefangen nimmt in seinen Werken?

Auf Jonas Zipf  scheint das Werk „Rose für direkte Demokratie“ einen besonderen Eindruck gemacht zu haben. Es handelt sich dabei um ein Multiple, dass 2015 durch die Sammlung Opitz-Hoffmann seinen Weg ins Jenaer Depot gefunden hat.

Eigentlich befindet sich im Depot nur eine Schachtel mit einem gläsernen Messzylinder, wie er sich in jedem Chemielabor finden lässt. Beuys hat diesen Messzylinder mit weißem Stift mit dem Titel „Rose für direkte Demokratie“ beschriftet und signiert, ebenso ein Foto, auf dem er im Gespräch mit einem Besucher der Documenta 5 abgelichtet wurde. Und da ist sie, die Rose im Messbecher, sie steht auf dem Schreibtisch, an dem Beuys 100 Tage lang auf der Documenta 5 mit Besuchern über direkte Demokratie durch Volksabstimmung diskutierte.

 

Unser Gastautor, Jonas Zipf, ist seit 2016 Werkleiter von JenaKultur  und setzt sich mit großem Engagement für die Vielfalt  von Kunst- und Kultur in Jena ein. Trotz der schwierigen Aufgaben, die er in Zeiten der Coronakrise derzeit in Jena zu bewältigen hat, hat er sich viel Zeit für die Beantwortung meiner Fragen genommen und erläutert damit sehr interessante Aspekte zu Beuys und zur Rolle der Kunst in der Gesellschaft. Die ausführlichen Antworten finden Sie in den Tonspuren, die Textfassungen finden Sie, wenn Sie „Antwort von Jonas Zipf“ anklicken.

Und verpassen Sie es nicht, auch noch in die Kreativbox zu schauen, dort gibt es heute mal ganz andere kreative Anregungen  für Sie, damit Sie im beuysschen Sinne Künstler sein können.

 

Hören Sie hier das vollständige Interview oder klicken Sie im folgenden Text auf die einzelnen Audiodateien, falls Sie nur einzelne Fragen und Antworten anhören möchten:

Herr Zipf – warum haben Sie sich spontan gerade dieses Werk ausgewählt. Was hat es damit auf sich?

Diese Arbeit ist aus meiner Sicht für Joseph Beuys ein singuläres, fast atypisches Werk. Beuys wird ja sehr vieles zu geschrieben, es wird viel über ihn geforscht, manchmal auch spekuliert, zu Lebzeiten und heute. Ich glaube, dass es einen Aspekt von Joseph Beuys gibt, der oft unterschätzt wird. Hier spielt natürlich auch meine Sichtweise als Theatermann eine Rolle: Joseph Beuys hat mit den Erwartungshaltungen seiner Rezipienten oft gespielt, viel mehr als ihm dann nachher bzgl. seiner Intentionen meist zugeschrieben wurde.

Ich glaube, das spielerische Element in seiner Kunst, der Mythos, das Erschaffen von Narrativen und Geschichten, die vielleicht manchmal auch ein bisschen geflunkert sind, nicht immer der Realität entsprechen müssen, letztlich eigentlich sogar darauf hinauslaufen, dass man Realität und Fiktion überhaupt nicht mehr unterscheiden kann – das ist ein ganz wichtiger utopischer Moment im Werk von Beuys. Die Welt so zu erzählen, wie man sie sich wünscht, sie auch auszuprobieren im Rahmen von Aktionen, von Performances, das ist ein Thema, das für mich von diesem Kunstwerk verkörpert wird. Denn diese Rose, die wie hier sehen, verbunden mit dem Titel, wartet gewissermaßen auf eine Aktivierung. Dieses Kunstwerk ist ironisch, es fordert zu einem Kommentar oder zu einer Aktivität heraus. Und es setzt ein Zeichen, ein Zeichen, das schon fast am Rande der Naivität oder des Kitsches verläuft. Eine Rose ist ein unendliches Symbol, vielfach aufgeladen, eine Metapher für so Vieles, und in Verbindung mit dem Thema Demokratie natürlich gleichzeitig eine Allusion, z. B. an die Nelken-Revolution in Portugal und noch viele andere Dinge, die mir im Zusammenhang einer Rose mit politischen Entwicklungen einfallen. Ich denke nur an die englische Rose als Symbol des Adels und der Bürgerkriege der Shakespeare-Zeit.

Die Rose mit der Demokratie durch die Mittel der Kunst zu verbinden, ist ein hoffnungsvolles, utopisches  Zeichen einerseits, andererseits natürlich auch ein Vanitas- Symbol, etwas Verwelkendes, etwas Prekäres, Fragiles, das ständig und immer wieder geschützt werden muss, das immer neu erstritten werden will. Natürlich ist die Anekdote hinlänglich bekannt, dass Joseph Beuys dieses Kunstwerk bei der Documenta 5, letztlich auch im Rahmen einer Aktion in seinem Büro für direkte Demokratie, verwendet hat. Dass er dort jeden Tag mit den Menschen diskutiert hat und einen Versuch gestartet hat. Dass dieses – wie so viele andere seiner Werke ohne diesen Kontext der Aktion fast überhaupt nicht mehr zu lesen ist. Aber genau darin besteht die Stärke der Arbeit: Dass sie als Artefakt immer noch, für sich genommen, ganz unabhängig von all diesen Erzählungen und Aufladungen, funktioniert und gleichzeitig eben doch so viel des früheren Kontextes mit sich bringt und transportiert. Kurzum: Ich bin sehr stolz, kann ich sagen, dass wir dieses Werk in der Kunstsammlung in Jena wissen. 

Beuys hat den Kunstbegriff erweitert – wie sehen Sie das, welche Definition haben Sie von Kunst oder genauer wo ziehen sie die Grenze zum Banalen, zum Alltäglichen oder zum Kitsch?

Ich glaube nicht, dass es eine Definition von Kunst gibt. Das sage ich nicht aufgrund des landläufigen Irrtums, dass Kunst je subjektiv sei oder einfach, dass es pluralistisch viele Ansätze gäbe. Nein, ich glaube, dass es dem Glutkern dessen, worum es bei Kunst geht, zuwiderläuft, sie definieren zu wollen.

Kunst ist immer Prozess, immer iterativ, immer auf der Suche, immer Werden und nicht Sein. Und damit hätte ich letztlich doch schon wieder eine Definition gegeben, die dem, was ich damit sagen wollte, zuwiderläuft. Die einzige Annäherung an eine Definition für Kunst, die ich mir vorstellen kann, besteht darin, das jeweilige Kunstwerk, das jeweilige Projekt, an der Setzung und Definition dessen zu messen, was es selbst versucht. Was ich damit sagen will: Die einzige Möglichkeit eines intersubjektiven Begriffs von Kunst dreht sich darum, die Regeln, die ein Kunstwerk aufstellt, in ihrer Konsequenz und Durchführung zu bewerten. Mit Konsequenz und Durchführung meine ich keinen Dogmatismus, Formalismus, überhaupt Ismus, sondern impliziere auch den Bruch, spielerische Leichtigkeit, Ironie, etc. Das wäre eine Möglichkeit, sich einer Definition von Kunst anzunähern: Das jeweilige Kunstwerk immer daran zu messen, ob die Formen der Umsetzung, der ursprünglichen Setzung und dem, was gesagt werden will, auch adäquat entsprechen und konsequent durchgezogen und beibehalten werden.

Genau an dieser Stelle würde ich auch den Unterschied zum Banalen, zum Alltäglichen oder meinetwegen zum Kitsch sehen. Grundsätzlich ist Kunst dazu geeignet, unsere Wahrnehmung als Rezipient zu öffnen. Das ist möglicherweise die größte Qualität, die Kunst mitbringt. Das funktioniert aus meiner Sicht aber nur, wenn es die Intention gibt, die auch so konsequent in der Durchführung der Mittel durchgezogen wird, dass es eben nicht einfach nur ein Objekt, eine Rose in einem Glas, ist, das bzw. die hier vor uns steht. Das klassischste Beispiel, um das zu illustrieren, ist der Gedanke des Readymade bei Marcel Duchamp: Einen alltäglichen Gegenstand, beispielsweise ein Klosett einfach als Kunstwerk zu definieren, indem man es zu einem Kunstwerk erklärt. Die Aktion ist in sich konsequent, weil sie nichts anderes tut, als die Wahrnehmung zum Verweilen einzuladen, zum Verweilen und Anschauen dieses alltäglichen Objekts. Das ist genau das, was sie will, und das konsequente Mittel der Wahl ist nichts anderes als eine einfache Betitelung, die eben diese Wahrnehmung herstellt. Nicht mehr und nicht weniger, aber eben konsequent im Sinne der ursprünglichen Intention. René Magritte hat das mit seinem Diktum „Ceci n’est pas une pipe“ auf die Spitze getrieben, in dem er den Vorgang der Bezeichnung wiederrum negiert, die Bezeichnung also bezeichnet. An diesen Stellen wurden die Mittel, die Formen, durchgezogen, adäquat zu dem, was ursprünglich intendiert, gesagt werden wollte. Und das macht den Unterschied zum Banalen, zum Alltäglichen oder zum Kitsch aus.

Sind sie davon überzeugt, dass Gesellschaft durch kreatives Handeln verändert werden kann? Könnten Sie da ein konkretes Beispiel nennen?

Ich möchte auf diese Frage antworten, indem ich es vermeide, ein konkretes Beispiel zu nennen. Joseph Beuys selbst wäre möglicherweise ein gutes. Ja, wir könnten über die Eichen reden, die immer noch als Aktion, nicht nur im kollektiven Gedächtnis in Kassel, sondern auch als Weiterführung präsent sind, in seinem Ansatz, jeden Mensch als Künstler zu betrachten, wenn er sein je eigenes Potenzial entfaltet. Ja, wir könnten von vielen Projekten im Bereich der kulturellen Bildung, von partizipativen Projekten sprechen. Etwa von Royston Maldoom, ein Choreograph, der in Zusammenarbeit mit der Berliner Philharmonie für ein Sacre du Printemps diverse Jugendliche zusammengebracht hat. Mir fallen einige solcher klingenden Beispiele ein, die letztlich eine starke soziale und politische Komponente haben, von denen man sagen könnte: Diese Kunstwerke oder jene Künstler haben mit kreativem Handeln einen Unterschied gemacht, etwas verändert – ja. Letztlich glaube ich aber, dass das mit den Mitteln der Kunst nur gelingt, wenn diese nicht funktionalisiert werden.

Die künstlerische Arbeit ist geprägt von einem Paradoxon. Eine/r muss sich trauen, sich von der Realität abzuschließen, sich zum Beispiel auf einer Probebühne einzuschließen und vier bis sieben Wochen im Dunkeln an einem Thema zu forschen und zu arbeiten und sich in dieser Zeit überhaupt nicht darum zu scheren, ob sich jemand nachher dafür interessiert, was da raus kommt. Das gilt in noch extremerem Maß für Solisten wie Komponisten, Schriftsteller oder bildende Künstlerinnen. Nur wenn sie sich von der Welt abwenden und sich von funktionaler Verwertung unabhängig machen, werden sie die Kraft gewinnen, etwas zu sagen, was dann nachher auch wieder mittelbar eine Wirkung entfalten kann. Und genauso ist es letztlich mit der politischen, sozialen, gesellschaftlichen Wirkung. Eine echte Veränderung kann also nur entstehen, wenn die Veränderung erstmal gar nicht das Ziel war. Sobald sich jemand hinsetzt und das Kunstwerk daraufhin konzipiert, das er damit eine politische Veränderung erzielen will, macht er aus meiner Sicht schon keine Kunst mehr. Das ist dann der Unterschied zwischen Aktivismus – so wie heute so heiß diskutiert – als verschwimmende Schnittstelle zur Kunst oder früher, als weiteres Beispiel aus der Geschichte, aus der Kunstgeschichte, zwischen Agitprop und Kunst. Ein schönes, einfach greifbares Beispiel wären die Lehrstücke von Brecht. Im Sinne der künstlerischen Wahrnehmung finde ich die Unterschiede eklatant spürbar: Ob es Lehrstücke sind, mit denen er seine politischen Prinzipien des epischen Theaters usw. vorführen will und damit konkret Ziele erreichen möchte, in dem er seine eigene Kunst instrumentalisiert für diese Ziele – oder ob er seine anderen Stücke schreibt, die ihm einfach ein menschliches, tiefes Anliegen waren, mit denen er etwas sagen wollte und dies in einer künstlerischen Form ausgedrückt hat. Ich bin also davon überzeugt, dass Gesellschaft durch kreatives Handeln verändert werden kann – ja. Aber nicht davon, dass das zum Bestandteil des künstlerischen Prozesses zu aller erst gehört.

Was wünschen Sie sich für die Kunst- und Kulturszene in Jena in dieser Zeit der Krise?

Zu allererst wünsche ich mir etwas ganz Prosaisches: Das es gelingt, möglichst viele der Angebote der Akteure, der Existenzen, die an der Kultur in Jena hängen, zu sichern. Das sind gar nicht so wenige. Ich habe das in der Krise für mich mal überschlagen. Die, die direkt bei JenaKultur beschäftigt sind, indirekt an den Bezuschussungen oder Honoraren von JenaKultur hängen – das sind rund 1000 Menschen. Das ist nicht wenig und ich fühle mich insgesamt verantwortlich für diesen Bereich in Jena. Von daher empfinde ich die Zeit der Krise als einen großen Druck. Andererseits wünsche ich mir für die Kunst- und Kulturszene, dass ein Innehalten stattfindet. Eine Krise ist eine Chance! Das wird zwar bestritten und ich möchte es auch nicht mit falschen Hoffnungen überfrachten bzw. irrationale Hoffnungen in die Krise hineinprojizieren. Denn ich glaube, dass die Krise erst am Anfang ist und dass wir noch heftige Verwerfungen und Konflikte erleben werden; ich gehe auch davon aus, dass die Schwächsten am meisten unter der Krise leiden werden und einige der Schwächsten findet man auch in der Kunst- und Kulturszene. Nichtsdestotrotz ist es immer die Aufgabe von Kunst und Kultur, einen Diskurs zu führen – und jetzt mehr denn je! Es ist ihre Aufgabe, Fragen zu stellen – daran, wie wir leben wollen und was wir ändern können. Und ich glaube, dass in dieser Krise sehr viele Fragen manifest werden, sozusagen hochkommen, die sich in der letzten Zeit, in den letzten Jahren akkumuliert haben, die gewissermaßen im kollektiven Unbewussten, zum Teil verdrängt wurden und die jetzt alle auf einmal hochkommen. Ein bisschen so, als ob man in den Urlaub fährt und erstmal nicht vom normalen Arbeitsrhythmus runterkommen kann und nächtelang über Themen und Fragen nachdenkt, die einem auf der Seele brennen, die schon lange der Bearbeitung harren. Es kommt darauf an, diese Fragen jetzt zu sammeln, selber innezuhalten, keine Angst zu haben, sich jetzt nicht mit Aktionismus im virtuellen Raum präsentieren zu müssen, weil man sich für die kommenden kulturpolitischen Verteilungskämpfe positionieren will – Nein, das auszuhalten, dass jetzt eine Leere eintritt, die darin auftauchenden Fragen zuzulassen und zu sammeln und daraus Ableitungen zu treffen oder wenigstens, diese gesammelten Fragen zu stellen. Das ist etwas, was ich der Kunst- und Kulturszene insgesamt aber auch in Jena wünsche.

Haben Sie schon eine Vision wie es vielleicht in einem Jahr in Jena aussehen wird in Bezug auf Kultur und Gesellschaft?

Vision ist ein großes Wort für einen so kurzen Zeitraum wie ein Jahr. Vor allem wenn dieses eine Jahr von sehr viel Realitätssinn und Pragmatismus geprägt sein muss. Die Krise wird erstmal vor allem Risiken und Nöte bedeuten, mit denen wir umgehen müssen. Aber das führt  zum Kern dessen, was ich mir wünsche, was meine Vision auch für Kultur und Gesellschaft, für das Verhältnis zwischen Kultur und Gesellschaft in Jena ist – immer, heute, in einem Jahr und auch in 10 Jahren: Dass Kultur nicht getrennt von Gesellschaft passiert. Das sie einerseits so viele Menschen und so diverse und unterschiedliche Menschen wie möglich erreicht und dadurch welthaltig Themen setzt und relevant ist. So dass niemand mehr auf die Idee kommt, einer/m KünstlerIn eine Frage zu stellen wie: „…und was machen Sie tagsüber?“. Weil ihm klar und deutlich vor Augen steht, wie wichtig der Beitrag von Kunst für die gesellschaftliche Entwicklung insgesamt ist, aus verschiedenen Gründen. Und weil ihm auch klar ist, wieviel harte Arbeit mit Kunst verbunden ist. Dass Kunst einen genauso wertvollen Beitrag zum Gelingen einer Gesellschaft darstellt wie das Bauen von Häusern, das Unterrichten von Kindern oder das Retten von Leben.

Ich möchte das gern mit der berühmten Fabel von der Grille und der Ameise illustrieren. Die wird ja in unterschiedlichen Fassungen, auch in unterschiedlichen Kulturkreisen erzählt. Ich bevorzuge die Fassung von Jean de La Fontaine. Im Grunde ist es eine ganz simple Gesichte. Die Ameise schafft es das ganze Jahr über, einen Vorrat für den Winter anzuhäufen. Die Grille macht Musik und sorgt dafür, dass die Ameise möglichst gut unterhalten wird und erleichtert damit deren Arbeit. Sobald aber der Winter kommt, es also kalt wird und kein Essen mehr da ist, fragt die Grille die Ameise, ob sie jetzt mitessen darf. Der Ausgang wird in den unterschiedlichen Fassungen unterschiedlich erzählt – manchmal stirbt die Grille, manchmal überlebt sie den Winter. Und das ist natürlich der zentrale Punkt: Beide, und wenn man so möchte könnte man auch noch 50 andere Tierarten für einen Komplexitätsgrad und eine Aufgabenverteilung wie in unserer weitentwickelten Gesellschaft hinzunehmen, und man würde die Geschichte immer noch so erzählen – Beide haben ihre Rolle. Die Rolle des Künstlers, der Künstlerin besteht natürlich nicht allein darin, die Ameisen dieser Welt zu unterhalten und ihr Leben zu erleichtern, das ist ja im Verlauf der anderen Fragen auch schon klar geworden. Sie besteht natürlich auch darin, beispielsweise Wahrnehmungen zu öffnen, verstörende Fragen zu stellen oder überhaupt Fragen zu sammeln, zu formulieren, etc. Aber auch an diesem einfachen Beitrag, an dem die Rolle der Künstler, der Künstlerin greifbar wird, am Beitrag der Unterhaltung und der Erleichterung des Lebens, an diesem einfachen Punkt macht sich die Notwendigkeit ihrer Rolle fest.

Was ist Ihnen noch wichtig an dieser Stelle zu sagen zu Beuys, Rosen, Kunst und Demokratie?

KREATIVBOX

Beuys versuchte in seinen Werken nicht den Weg über die Logik zu gehen, sondern unser Unterbewusstsein anzusprechen, es in Turbulenzen zu versetzen und damit etwas in Gang zu bringen. Er scheute sich nicht vor dem Chaos, denn er sagte:

„ Der Anfang des Neuen findet stets im Chaos statt.“

Als Lehrer an der Kunstakademie in Düsseldorf sorgte er für so manchen Skandal, doch leitete er damit eine neue Sichtweise auf die Kunst ein, er erweiterte den Kunstbegriff und strebte nach einer humanistischen Gleichsetzung  von Kunst und Leben.

„Jeder Mensch ist ein Künstler.“

Dieser Satz wird oft zitiert, aber auch oft missverstanden. Beuys  meinte, dass jeder Mensch Träger von Fähigkeiten sei und wenn er diese entfalte, egal in welchen Beruf er arbeite oder an welcher Stelle der Gesellschaft er stehe, dann nutze er sein kreatives Potential und sei damit ein Künstler.

„Es wird also in meinem Sinne das Denken schon als Plastik bezeichnet“     

 

 

Probieren Sie das mal aus. Oder machen Sie das eigentlich schon jeden Tag?

Der folgende Text von Beuys sei Ihnen hier als tägliche Aufwärmübung empfohlen, suchen Sie sich etwas aus, was zu Ihnen passt, was in Ihren Tag passt, was sie kreativ werden lässt.

 

Und dann habe ich Ihnen diesmal die Kreativboxbox mit Denkanstößen gefüllt.

Ich stelle Ihnen Beuys als Vordenker der Umweltbewegung vor. Er gehörte 1980 zu den Gründungsvätern der GRÜNEN. Doch seitdem ist viel Zeit vergangen und es hat sich auf diesem Gebiet zwar einiges getan, aber viel zu wenig, wenn wir nur auf die globale Klimaerwärmung schauen.

Doch es ist an der Zeit, dass die alternativ denkenden und arbeitenden Menschen und Gruppen endlich mehr Beachtung finden. Dazu einige interessante Links neueren Datums.

Was im letzten Jahr durch die Fridays for Future-Bewegung angestoßenen wurde, wird zwar von vielen Menschen noch belächelt oder verrissen, aber es ist der Beginn einer neuen Zeit, der Beginn der Hoffnung auf eine andere Zeit.

Wie wollen wir leben?

Diese Frage taucht jetzt in den Wochen der Corona-Krise immer öfter in der öffentlichen Diskussion auf.

Als Beuys 1972 auf der Documenta 5 täglich eine frische Rose auf seinen Schreibtisch im Büro für direkte Demokratie stellte, kam diese sicher noch aus einer deutschen Gärtnerei. Heute werden unsere Rosen meist in Afrika in Monokulturen angebaut und mit Flugzeugen zu uns transportiert. Besonders nachhaltig ist das mit Sicherheit nicht.

Was würde heute auf dem Tisch von Joseph Beuys stehen als Zeichen für Demokratie, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit?

Finden Sie es heraus und schicken Sie Fotos von Ihren Ideen an einkunsthausfuerjena@gmx.de

Foto: Heidrun Schrade

Documenta 5, 1972: „Rose für direkte Demokratie“

https://www.pinakothek.de/kunst/joseph-beuys/rose-fuer-direkte-demokratie

Documenta 6, 1977: „Honigpumpe am Arbeitsplatz“

Documenta 7, 1982: „7000 Eichen“

Ökogärtner Makus Gastl

Artenvielfalt / Wildbienen

Zukunftsvisionen in der Corona-Krise

Der Beginn einer neuen Welt?

Rutger Bregman, Journalist

Prof. Dr. Markus Gabriel, Philosoph

Prof. Wilhelm Heitmeyer, Soziologe

https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/videos/sendung-vom-26042020-video-100.html

 

Dr. Maja Göpel, Autorin von: „Unsere Welt neu denken“

Politökonomin,  Scientists for Future

 

https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/videos/sendung-vom-26042020-video-104.html

„Das Momentum der Veränderung ist da. Wann, wenn nicht jetzt?“



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