KunsthausFrühling n°4

KunsthausFrühling n°3
18. April 2020
KunsthausFrühling n°5
3. Mai 2020

Kunstgenuss im virtuellen Kunsthaus
… und hoffentlich in Zukunft im realen Kunsthaus am Eichplatz

Herzlich willkommen zum Jenaer Kunsthausfrühling im virtuellen Kunsthaus.

 

Für den Beitrag zum vierten Jenaer Kunsthausfrühling bedanken wir uns bei Erik Stephan, dem Kurator der Kunstsammlung Jena.


Hören Sie hier seinen (unten stehenden) Text zum Bild:

Das Gemälde von Ernst Ludwig Kirchner zeigt Eberhard Grisebach, der 1909 als 29jähriger Student auf Empfehlung Ferdinand Hodlers nach Jena kam und bei Rudolf Eucken studierte und promovierte. Grisebach lebte bis 1931 in Jena. Die Empfehlung von einem der berühmtesten Maler seiner Zeit kam nicht von ungefähr, denn Grisebach interessierte sich leidenschaftlich für die moderne Kunst. So war sein Engagement im Jenaer Kunstverein nahe liegend, überraschend hingegen war jedoch seine Wahl zum Geschäftsführer im Jahre 1912. An seine Schwiegermutter Helene Spengler kommentiert Grisebach diese Wahl mit den Worten: „Ich nehme nun für Ostern die Geschäftsleitung des Kunstvereins an […]. Ich wählte mir einen juristischen Ordinarius Prof. Hedemann zum Vorsitzenden. Von Kunst versteht er nicht viel, sehnt sich aber zu ihr hin […]. An ihm habe ich eine gute juristische Stütze und die volle Zustimmung zu meinen Plänen ist gesichert.“ Während Hedemann vor allem repräsentative Aufgaben wahrnahm, qualifizierte der mit Cuno Amiet, Edvard Munch, Ernst Ludwig Kirchner und anderen Künstlern befreundete Grisebach die Ausrichtung des Kunstvereins mit Konsequenz und Weitblick. Während seiner Amtszeit waren die wichtigsten Expressionisten, Max Liebermann, August Macke, Edvard Munch und viele andere heute berühmte Künstler in Jena zu Gast.

Genau eine Woche nachdem Eberhard Grisebach am 7. Juli 1912 im Oberlichtsaal des Jenaer Volkshauses die Ausstellung „Cuno Amiet (Schweiz) & August Macke (Bonn)“ eröffnet hatte, schrieb Botho Graef in der Jenaischen Zeitung: „Der Mahnung, sich mit der lebenden Kunst zu beschäftigen, die auch Herr Dr. Grisebach in seinem ausgezeichneten Vortrage bei Eröffnung der neuen Ausstellung eindringlich wiederholte, ist über alles Erwarten gefolgt worden. Die beste Art, sich mit Kunst zu beschäftigen, nämlich sie zu kaufen, ist in so ausgiebiger Weise geübt worden, wie wohl kaum jemals seit Bestehen der Ausstellungen.” Eine Woche vor Schließung der Ausstellung berichtet die Presse von insgesamt 920 Besuchern und 12 Verkäufen. Die Ausstellung Amiet & Macke trägt also ganz wesentlich zu einer erfolgreichen Bilanz des Geschäftsjahres 1912 bei und mit diesen Überschüssen wird im Januar 1913 mit dem Gemälde „Mädchenakt mit Blume“ von Cuno Amiet das erste Gemälde für die Sammlung des Jenaer Kunstvereins erworben. Mit dieser Erwerbung wurde die Sammlung des Jenaer Kunstvereins begründet, die dann zu Beginn der 1930er-Jahre zum Grundstein der Kunstsammlung Jena wurde.

Ernst Ludwig Kirchner ist der bedeutendste Vertreter des deutschen Expressionismus und pflegte enge freundschaftliche Beziehungen nach Jena. Bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten hatte er hier mehr als 15 Ausstellungen und war mit knapp 270 Werken in der Sammlung des Kunstvereins vertreten, die leider 1937 in der Aktion „Entartete Kunst“ geraubt und zum größten Teil weiterverkauft wurden.

Das „Porträt Grisebach“ entsteht 1917 während eines Kuraufenthaltes in Kreuzlingen am Bodensee. Kirchner porträtiert den gleichaltrigen Eberhard Grisebach frontal, kantig und selbstbewusst als einen Menschen, der, wie Kirchner, den Zusammenhängen des Lebens nachspürt. Gesundheitlich angeschlagen, zieht Kirchner noch im Jahr 1917 nach Davos, wenig später stirbt Botho Graef, einer seiner engsten Vertrauten in Jena.

Einen Besuch in Kirchners Atelier schildert Grisebach im Frühjahr 1917 mit folgenden Worten: „Zwei Vormittage war ich bei Kirchner, die mir unvergesslich bleiben werden. In einem gelb ausgestrichenen schrägen Dachraum sass er auf ganz niedrigem Sessel neben einem kleinen heissen Ofen. Nur mit Hilfe eines Stockes konnte er sich mühsam aufrichten und nur schwankend durchs Zimmer gehen. Ich setzte mich auf einen ebenso niedrigen Sessel ihm gegenüber an einem ovalen Tisch. Hinter einem buntbemalten Vorhang standen ein Haufen Bilder, die wir anzusehen begannen, dabei kam Leben in ihn. Er sah mit mir alle seine Erlebnisse auf Leinwand an sich vorbeiziehen, die kleine ängstlich drein­schauende Frau stellte das Geschaute beiseite und brachte eine Flasche Wein. Er machte kurze erläuternde Bemerkungen mit matter Stimme. Jedes Bild hatte seinen besonderen farbigen Charakter, eine grosse Traurigkeit lag in allen; was mir früher unverständlich und roh erschien, machte jetzt alles den selben feinen und sensiblen Eindruck seiner Persönlichkeit. Ein Suchen überall nach Stil, nach psychologischem Verständnis seiner Gestalten. Das Ergreifendste war ein Selbstbildnis in Uniform mit abgehackter rechter Hand.“

KREATIVBOX

Vor der Aufgabe, ein Porträt zu zeichnen, erstarren viele Leute in großer Ehrfurcht. Dabei ist es gar nicht so schwierig, wenn man ein paar Tricks und Kniffe kennt.

Seit der Erfindung der Fotografie ist die Malerei und Grafik der Aufgabe enthoben, möglichst ähnliche Abbildungen einer Person zu erschaffen. Dafür geht es seit mehr als einhundertfünfzig Jahren um das Psychische, das in gezeichneten oder gemalten  Porträtdarstellungen wiedergegeben werden kann. Farbe und Form werden zu Ausdrucksträgern. Beim Selbstporträt geben Stift- und Pinselführung Aufschluss über die Befindlichkeit des Künstlers im Augenblick des Schaffens, wunderbar bei van Gogh zu erleben. Auch die Expressionisten nutzen Farbe und Form im Porträt als Ausdrucksträger von Charakter, Stimmung, Befindlichkeit, ja auch als Zeichen der Beziehung zum Modell. Schauen Sie sich unter diesem Aspekt Kirchners Porträt von Eberhard Grisebach  noch einmal aufmerksam an.

Und dann trauen Sie es sich selber, frech und selbstbewusst mit Lockerungsübungen beginnen, dann aufmerksam beobachtend Proportionsstudien anfertigen und dann weiter nach Lust und Laune und Temperament.

Wir freuen uns über Einsendungen eigener Zeichnungen und Gemälde! Schicken Sie uns Ihre Werke an einkunsthausfruerjena@gmx.de und teilen Sie uns mit, ob Sie mit einer Veröffentlichung einverstanden sind.

Viel Spaß beim Üben

wünscht Ihnen Ihre Heidrun Schrade

Hier noch ein Arbeitsblatt mit Zeichnungen aus „Figürliches Zeichnen“ von Gottfried Bammes, 2000, Ravensburgverlag, S.244ff. zu Detailübungen:

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